Erstmals als Alberich 2014: Oleg Bryjak (links). Der Bassbariton kam bei der Flugzeugkatastrophe in den französischen Alpen ums Leben. Foto: Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele

Pfiffig, sexy – Rheingold

Erstmals als Alberich 2014: Oleg Bryjak (links). Der Bassbariton kam bei der Flugzeugkatastrophe in den französischen Alpen ums Leben. Foto: Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele

Draußen, im Bayreuther Regen, prasselt gleich die Kritik hernieder: Das „Rheingold“ ist gerade verklungen, da hat BR-Klassik schon drei Kulturkritiker, darunter Florian Zinnecker vom „Kurier“ in Bayreuth, vor den Mikros versammelt. Viele Zuschauer bekommen den Anfang der Debatte gar nicht mit, weil es doch eine Zeit dauert, ehe man die Reihen im Festspielhaus verlässt, zumal die heutige Aufführung und ihre Hauptdarsteller knapp zehn Minuten Applaus bekommen haben.

Am meisten Bravo und Getrampel – davon scheint er selbst ziemlich überrascht zu sein – erhielt Kirill Petrenko, der Dirigent, der im Graben tatsächlich Großartiges geleistet hat mit dem Festspielorchester. In diesem Punkt sind sich Radio-Kritiker und Publikum absolut einig.

Ja, es ist ein Erlebnis, diesen Ring in Bayreuth zu hören. Dazu muss man kein Prophet sein, um das jetzt bereits festzustellen. Petrenko schafft es diesmal recht gut, sich und die Musik gegen die starken Bilder auf der Bühne durchzusetzen. Das war im Vorjahr noch etwas anders. Die Woche noch sah ich ihn am Festspielhaus mit üppig rotem Vollbart. Zur schüchternen Verbeugung jetzt ist der Bart ab und das Publikum sieht einen freudestrahlenden Dirigenten.

Sängerischer Liebling des Abends war überraschenderweise Alberich Oleg Bryjak. Um ihn hat es im Vorfeld Ärger gegeben, bzw. Regisseur Frank Castorf hatte seinem öffentlich viel Luft gemacht. Denn geplant und geprobt worden war das „Rheingold“ noch mit Martin Winkler als Alberich. Aus immer noch nicht letztlich geklärten Umständen – Krankheit oder gefeuert? -, gehörte der Vorjahres-Alberich plötzlich nicht mehr zum Ring-Team, Oleg Bryjak wurde nachbesetzt – und zwar erst nach der Bühnenhauptprobe, der letzten Probe vor der Generalprobe. Castorf jedenfalls war nicht informiert und not amused, weil er nicht mit einer wild durcheinander gewürfelten Darstellertruppe arbeiten mag. War das der Grund, warum das Publikum nun Oleg Bryjak erst recht mochte und ihn deshalb so bejubelte? Die Kritiker konnten die Begeisterung jedenfalls mitnichten teilen. Sie fanden diesen Alberich ziemlich schwach. Ich fand ihn ganz ok, mehr einstweilen noch nicht. Auch an den neuen Fasolt von Wilhelm Schwinghammer muss man sich nach einem fabelhaften Günther Groissböck aus dem Premieren-Jahr erst gewöhnen; und Fafner Sorin Coliban fand ich eher farblos.

Schade. Auch in diesem Jahr kommt der Regisseur erst zum Schluss des „Ring“ auf die Bühne. Vielleicht hätte Frank Castorf nach dem Rheingold einen passablen Erfolg im Festspielhaus gehabt. Wobei ein zufriedenes Publikum dürfte so ziemlich das Letzte sein, was sich dieser Regisseur wünscht. Darum geht er auch dazwischen, bei den schönen Wagner-Momenten. Garantiert: Wann immer man zum Schmachten ansetzt, passiert garantiert etwas auf der Bühne, das einen davon abhält – und seien es zum Takt in Zeitlupe tanzende Statisten.

Insgesamt ist das Spiel um Route 66 und Golden Motel trotzdem zum Gernhaben: Es ist pfiffig, schnell, schmeißt eine Kurzgeschichte nach der nächsten auf die Bühne, von Leuten, die alles sind, außer sympathisch. Die Rheintöchter (ebenfalls bejubelt und zwar absolut zurecht Mirella Hagen, Julia Rutigliano und Okka von der Damerau) sind gelangweilte Schlampen, die sich das Gold abluchsen lassen; kaum besser die Göttinnen Fricka (Claudia Mahnke) und Freia (Elisabet Strid). Donner und Froh (neu und überzeugend Markus Eiche sowie Lothar Odinius) sind Helfershelfer des über allem thronenden Wotan (Wolfgang Koch), der als Obermafiosi sängerisch und darstellerisch klasse ist. Eine glänzende Ergänzung dazu ist Kumpel Loge (Norbert Ernst), mit dem er das  Rheingold und den Ring des Nibelungen ergaunert.

Im Vergleich mit dem Vorjahr hat man das Gefühl, die Show ist noch schwungvoller geworden, hat mehr Sex und Drive bekommen – und die Menschen auf der Bühne haben auch noch Spaß dabei, davon kann man sich auf der Großleinwand überzeugen, auf die Bühnenszenen übertragen wird. Große Oper im großen Kino:  Gegen diese Eindrucksflut mit wundervollen Sängerleistungen muss sich die Musik aus dem Graben erst durchsetzen, was ihr zum Teil umwerfend anders gelingt. Auch so kann sich Wagner anhören.

Und so geht man insgesamt zufrieden nach dem langen Applaus gut gelaunt hinaus -‚ in den Bayreuther Regen. – ek

Mehr zur Ring-Regie gibt’s hier: https://www.festspieleblog.de/2014/07/reden-wir-ueber-regie/

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