Laufenberg statt Meese: Der Intendant des Hessischen Staatstheaters übernimmt bei den Bayreuther Festspielen 2016 "Parsifal". F: Fredrik von Erichsen/dpa

Laufenberg und sein Parsifal für Bayreuth

"Lückenbüßer und Pottsau lass ich durchgehen, ein Kameradenschwein bin ich nicht" — mit Humor nimmt Uwe Eric Laufenberg (54) die Schimpftiraden von Jonathan Meese, nachdem der bei den Bayreuther Festspielen rausgeflogen und Laufenberg kurz später als Ersatz engagiert war. Im Interview verrät Laufenberg seinen Blick auf den Parsifal und wie er ihn 2016 im Festspielhaus Bayreuth zeigen will: "Es geht um Religion", sagt er. Foto: F. von Erichsen/dpa
Laufenberg statt Meese: Der Intendant des Hessischen Staatstheaters übernimmt bei den Bayreuther Festspielen 2016 "Parsifal". F: Fredrik von Erichsen/dpa

Seit Herbst sind Sie Bayreuth-Regisseur. Hat Ihnen das größere Aufmerksamkeit eingebracht?
Laufenberg: Nein, das kann ich im Moment nicht sagen, vielleicht kommt das ja noch. Zurzeit ist man in Bayreuth sehr neugierig auf den Tristan. Wenn die Aufregung vorbei ist, wird man den nächsten Aufreger suchen. Das wird dann wohl der Parsifal sein.

Dieser Bayreuther Parsifal 2016 steht natürlich unter besonderer Beobachtung, nachdem Sie als Nachfolger für Jonathan Meese engagiert wurden.
Laufenberg: Die Aufregung über die Ablösung des alten Teams zum neuen hat drei Tage wie wild getobt. Der, der es eigentlich machen sollte, hat sich aufgeführt wie Beelzebub selber.

Über Meese: “Aufgeführt wie Beelzebub”

Ich darf zitieren, was Sie seinen Worten nach sind…
Laufenberg: Ein Kameradenschwein bin ich.

Dazu Sau, Pottsau, Lückenbüßer.
Laufenberg: Also Lückenbüßer und Pottsau lass ich durchgehen, aber das mit dem Kameradenschwein, das hat er gefälligst zurückzunehmen (lacht). Er denkt ja anscheinend in Kategorien des Zweiten Weltkriegs und der NS-Herrschaft. Ich kann damit leider so gar nichts anfangen.

Hätten Sie das Bedürfnis, ein klärendes Gespräch mit Jonathan Meese zu führen?
Laufenberg: Nee. Aber das hatte ich vorher auch nicht. Vom Theatralischen her war das nie jemand, der mich interessiert hätte, weil er kein Regisseur ist und vom Theaterhandwerk eigentlich nichts versteht. Als bildender Künstler ist er durchaus interessant, aber da ist mein Interesse wiederum bei anderen. Anselm Kiefer zum Beispiel — das ist ein Künstler. Der ist ja auch in seinen Anfangszeiten mit Hitlergruß durch die Gegend gezogen. Den empfinde ich als einen großen Künstler. Der spielt für mich einfach in einer ganz anderen Klasse.

Wie sehen Sie Ihre Rolle in Bayreuth: Lückenbüßer oder Erlöser?
Laufenberg: Das kommt ja immer alles sehr schnell zusammen, gerade in Bayreuth.

Dank an Köln für den Rauswurf

Und wie fühlen Sie sich?
Laufenberg: Meine Geschichte ist ja noch einmal eine ganz andere. Die hat ja mit Bayreuth zunächst nichts zu und trotzdem fügt sich alles sinnfällig.

Weil Sie den Parsifal schon für die Oper Köln vorbereitet hatten?
Laufenberg: Ich hatte für das Wagner-Jahr 2013 Parsifal für Köln vorbereitet, hatte eine sehr schöne Besetzung, wir haben die Konzeption erarbeitet. Die Kölner Oper ist ja in Renovierung, die Ersatzspielstätte wird ‚Mülltüte‘ genannt, blaue Mülltüte. Und für diese blaue Mülltüte haben wir ein Konzept erarbeitet, das darin gut gehen sollte. Dann gab es diesen Knatsch mit Köln und wir haben den Intendantenvertrag aufgelöst. Aber es gab eigentlich keinen Grund, warum ich das nicht trotzdem inszenieren sollte.  Denn ich habe mich mit der Stadt Köln in gegenseitigem Einvernehmen getrennt, wir waren also völlig befriedet, und es gab keinen Grund, mich nicht als Regisseur zu engagieren. Den gab es einfach nicht. Und weil ich mich mit den Herrschaften als sehr eng befreundet empfand, habe ich das als Selbstverständlichkeit angesehen, dass wir natürlich diesen Parsifal dort machen.

Ich bin aus allen Wolken gekippt, dass sie sich dem verweigert haben —  vielleicht aus politischem Grund oder warum auch immer. Mein Bühnenbildner und meine Kostümbildnerin, die ihre Arbeit komplett abgegeben hatten, wurden ausbezahlt, haben also die Gage gekriegt für eine Arbeit, die nicht sichtbar werden sollte.
Insofern kann ich das Gefühl von meinem „Vorgänger“ verstehen. Wenn Sie sich mit etwas befasst haben und dann wird Ihnen das einfach weggenommen, aus Gründen, die Sie nicht nachvollziehen können, dann ist man sehr, sehr sauer.
Man ist damit unglücklich, gekränkt, dass das, was man eigentlich hätte gebären können, weg ist! Und dann kam der Anruf von Katharina Wagner, die fragte: ‚Sie haben doch für Köln mal ein Konzept gemacht, können Sie es mir vorstellen?‘.

Und Sie stellten es vor.
Laufenberg: Als ich es dann vorgestellt habe, und sie sagte, ‚Das finde ich faszinierend, das finde ich toll, das ist aktuell, das war noch nicht‘ —  da habe ich gedacht, jetzt kann ich ja all denen, die ich gestern noch verflucht habe, Blumen schicken (lacht herzlich).

Wann kam eigentlich Ihr Kontakt mit Katharina Wagner zustande. Jonathan Meese behauptete, schon im Mai 2014 habe er einen Stimmungswandel bemerkt. Standen Sie da schon in Verhandlung?
Laufenberg: Nein! Ich kann Ihnen sagen, dass ich freitags am Morgen in der Zeitung gelesen habe, dass er es nicht macht, am Samstagabend hat mich Katharina Wagner angerufen. Ich saß in meinem Büro in Wiesbaden und war auf dem Weg zu einer Premiere und der Anruf kam um halb Sieben.

Und dann haben Sie sich getroffen?
Laufenberg: Sie sagte, es muss ganz schnell gehen. Also haben wir uns am Dienstag getroffen und am Mittwoch hatte ich einen Vertrag.

Wie ist Bayreuth für Sie im Vergleich zu Linz, wo Sie ja gerade den Ring inszeniert haben?
Laufenberg: Also wenn man in Linz arbeiten kann, wird man auch in Bayreuth arbeiten können.

Ist das kein Unterschied?
Laufenberg: Bayreuth ist natürlich das älteste und damit berühmteste Festival der Welt. Das hat der Komponist selber geschaffen. Die sind dort so spezialisiert darauf. Wenn man sieht, wer dort alles inszeniert hat, sind die meisten Regisseure dort noch besser gewesen, als sie es sonst waren, weil das Fachwissen und das Know-How von Bayreuth dazukamen. Das hat sie beflügelt. Alleine, wenn man Neuenfels’ Lohengrin nimmt und mit ein paar Arbeiten vergleicht, die er davor gemacht hat, dann ist outstanding! Ich glaube an diesen Genius loci sehr stark, dass Kräfte, die man in sich hat, da noch einmal beschleunigt werden. Dass man auch wirklich bereit ist, fähig ist und gewillt ist, sein Allerbestes zu geben.

Konzept des Parsifal aktueller und heißer

Nachdem Sie Ihr Konzept ja schon haben, in welche Richtung geht es?
Laufenberg: Ich glaube, in meinem Vertrag steht, dass ich darüber nichts sagen darf. Ich kann aber sagen, dass wir das Kölner Konzept nochmal sehr sorgfältig durchdacht haben. Der Grund dieses Konzeptes ist eher aktueller, heißer geworden.

Inwiefern?
Laufenberg: Es geht um Religion. So, wie sich zurzeit Christentum, Islam und Judentum zueinander verhalten, als ob es Lessings Stück ‚Nathan der Weise‘ nie gegeben hätte. Man fragt sich: Wie kann das sein? Wagner geht in Parsifal mit diesem Absolutheitsanspruch von Religion um und versucht auch, die Grundidee des Christlichen in eine andere Form, in ein Bühnenweihfestspiel, zu retten. Religion heißt ja auch Machtkampf und Gebietseroberung und letztlich auch immer Tötung von denen, die man als Ketzer bezeichnet. Die christliche und gerade die katholische Kirche hat das ja in vergangenen Jahrhunderten genauso getan, wie jetzt die Islamisten meinen, das tun zu müssen. Dieses Stück stellt schlichtweg die Religionsfrage: Wieviel Religion brauchen wir denn? Wie gehen wir mit unserer Religion um? Wieviel Religion ist in uns? Oder: Wieviel brauchen wir als Ritual oder gar als Gesetzgebung? Wir glauben ja, dass wir in unserer Gesellschaft weiter sind dadurch dass wir Religion und Staat getrennt haben. Jetzt haben wir es mit Regionen zu tun, in denen sich Religion und Staat nicht trennen, sondern einen gemeinsamen Machtanspruch formulieren. Das alles ist im Parsifal thematisiert.

Muss man Angst um die Sicherheit im Festspielhaus bekommen? Oder anders gefragt: Sorgt das Attentat von Paris bei Ihnen für eine Schere im Kopf? Fragen Sie sich, was kann man machen, was geht nicht?
Laufenberg: Definitiv nicht. Ich habe die ‚Satanischen Verse‘ von Salman Rushdie aufgeführt, weil ich sie für eines der Meisterwerke der Literatur empfinde; für mich ist das vergleichbar mit ‚Meister und Margarita‘ von Bulgakow. Wenn man bedenkt, dass der in der stalinistischen Zeit sein Buch auch nur versteckt aus dem Land rausschmuggeln konnte. Er hat es nie gedruckt in den Händen gehalten… Und bei den Satanischen Versen  wurde einfach eine Fatwa darüber gesprochen und plötzlich liest das Buch keiner mehr. Man nimmt es nicht mehr zur Kenntnis.

Bei den Anschlägen in Paris, musste ich zweimal weinen: Einmal darüber, dass drei französische Bürger 16 Mitbürger dafür töten, dass sie etwas auf einem Blatt Papier festgehalten haben. Es ist nur ein Stück Papier, und es ist etwas darauf gemalt oder darauf geschrieben! Dafür jemanden umzubringen, darüber bin ich fassungslos. Das zweite Mal musste ich weinen darüber, dass so viele Leute auf die Straße gegangen sind für den Wert der Freiheit und die Selbstverwirklichung des Individuums. Dass wir uns nicht in eine Gruppe fügen und die Verantwortung abgeben, sondern bereit sind, Verantwortung zu tragen. Das meint ‚Je suis Charlie‘. Das haben die Karikaturisten von Charlie Hebdo gesagt: Es kann passieren, was will, die können so viele Morddrohungen schicken, wie sie wollen. Ich lasse mir diese Freiheit nicht nehmen, denn sie ist mir lebenseminent. Da fühle ich mich dann auch ganz nah bei Richard Wagner. Egal, was ihm im Leben zugestoßen ist — auch im Guten. Er hat so sehr an seine Selbstbestimmung geglaubt, und hat sich in seinem Werk von nichts, gar nichts, selbst von seinen eigenen blöden Ideologien nicht, vorschreiben lassen, weil er ein in seinem Kern freier Künstler war. Und dem fühle ich mich 100 Prozent verpflichtet und habe keinerlei Angst. Keinerlei!

Muss das Publikum besorgt sein?
Laufenberg: Jeder muss Angst haben, der Angst davor hat, gleich unter die Straßenbahn zu kommen; wenn Sie kein Flugzeug besteigen, weil Sie Angst haben, Sie stürzen ab, dann steigen Sie in den Zug – und der verunglückt dann. Oder wir sitzen jetzt hier, im Café am Volksgarten in Linz. Wenn einer meint, er muss jetzt hier einen Anschlag verüben, dann kann das genau jetzt hier passieren. Insofern finde ich Angst einen sehr, sehr, sehr schlechten Berater. Wenn die Angst uns unsere Würde nimmt, dann sollten wir die Angst beiseite legen.

Gibt es seitens der Bayreuther Festspiele den Versuch, Ihre künstlerische Arbeit zu beeinflussen?
Laufenberg: Bisher waren die Bayreuther Festspiele ja doch immer sehr mutig, freigeistig, völlig unabhängig. Was ist Wolfgang Wagner, gerade in den Chéreau-Jahren, oder Wieland Wagner, als er Meistersinger ohne Bühnenbild gemacht hat, nicht alles vorgeworfen worden. Insofern: Die Bayreuther Festspiele stehen auch für die mutigsten Festspiele der Welt.

Kultur darf sich nicht dem Staat andienen

Das sieht Jonathan Meese aber ganz anders. Überhaupt wurde in der Affäre um seine Entlassung Katharina Wagner vorgeworfen, sie sei vor dem Verwaltungsrat eingebrochen.
Laufenberg: Dazu kann ich gar nichts sagen. Meine Erfahrung mit Politik habe ich in ‚Palermo‘ beschrieben, das kann jeder gerne nachlesen. Ich habe von Kulturpolitik nicht so eine hohe Meinung, weil die meisten Politiker sich eben für Kultur nicht interessieren. Sie nehmen die Kultur aber gerne als Spielball für Machtpolitik. Im Moment kann ich nicht erkennen, dass der Bayrische Ministerpräsident oder die Bundeskanzlerin Bayreuth als machtpolitischen Spielball genommen hätten. So wie Religion und Staat getrennt sein müssen, müssen auch Kultur und Staat getrennt sein. Weil eine Kultur, die sich dem Staat andient, siehe Russland, die taugt nichts.

Die Regisseure in Bayreuth stehen schon bis 2019 fest. Sie wurden erst 2014 engagiert, haben nur gut ein Jahr Zeit, um den Parsifal in Bayreuth auf die Bühne zu bekommen. Wie groß ist Ihr Zeitdruck?
Laufenberg: Wir haben abgegeben. In den letzten vier Wochen haben wir das Bühnenmodell noch einmal völlig neu gebaut, wir mussten das ja den Verhältnissen von Bayreuth anpassen. Gisbert Jäkel, der Bühnenbildner, hat das in einer unglaublichen Sensibilität auf das Festspielhaus übertragen. Mein Regiebuch war ja geschrieben, auch das werde ich jetzt noch überarbeiten. Die Kostümentwürfe wurden am vorletzten Samstag abgegeben. Also wir sind total im Zeitplan.

Worin unterscheidet sich die Arbeit in einem Programmtheater wie hier, in Linz, von den Bayreuther Festspielen?
Laufenberg: Sie hören überall dasselbe, egal um welches Budget es geht. Im Moment bin ich ja Intendant eines mittleren Theaters, wir haben insgesamt einen Etat von 39 Millionen Euro, die Bühnen in Frankfurt haben fast das Doppelte, also über 60 Millionen. Aber egal, was im Etat steht, die Antworten sind immer die gleichen: Das ist zu teuer, das ist zu groß, das können wir nicht lagern, usw. Egal wo Sie sind, Sie kriegen immer dasselbe erzählt.

Auch in Bayreuth?
Laufenberg: In Bayreuth auch.

Man hört aber oft davon, dass in Bayreuth paradiesische Zustände herrschen.
Laufenberg: Ganz ehrlich — nein.

Aber das Budget ist ein anderes als an einem normalen Haus.
Laufenberg: Das Dreifache. Aber im Moment haben sie in Bayreuth das Problem, dass der Ring von Castorf unglaublich viel Lagerplatz braucht. Und wenn Sie dann auch bauen lassen wollen, ist das Problem, wo die Bühne gelagert wird und wie man das mit der Abfolge hinkriegt. Also, jedes Haus, egal wo, hat seine spezifischen Probleme. Und am Ende hören Sie immer dieselben Sätze.

Sie waren ja als Stipendiat der Richard-Wagner-Stiftung schon in Bayreuth. Gehören Sie zu den Stammgästen?
Laufenberg: Ja, sehr regelmäßig bin ich wiedergekommen. Ich finde das Festspielhaus eines der schönsten Theater der Welt.

Spielen mit großen, religiösen Momenten

Ihr Lieblingsstück?
Laufenberg: Das erste Stück, das man dort gesehen hat, brennt sich natürlich ein. Und das war bei mir der Chéreau-Ring. Der war für mich lange Zeit das Nonplusultra, weil der eines gemacht hat: Er hat den Wagner-Stücken das Theater wiedergegeben. Während es bei Wieland und bei Wolfgang Wagner eher Oratorien waren. Das hatte auch eine große Berechtigung und war in der Zeit unglaublich umstritten, aber auch unglaublich deutlich, also mit einer sehr starken Handschrift versehen. Chéreau aber hat es wieder dem Schauspieler zurückzugeben, also dem singenden Menschen, der Konflikte spielt, die wirklich Theater sind. Das war für mich ereignishaft. Und da hängt auch mein Herz dran. Weil das Theater Spiel ist. Und weil wir bei Parsifal sind: Das ist ein Bühnen-weih-fest-spiel. Bühnen-weih-fest — darüber wird viel diskutiert. Aber es ist ein SPIEL! Wir spielen etwas durch. Wir spielen Rollen. Wir spielen sogar mit großen, religiösen Momenten. Aber wir spielen.

Welcher war für Sie der beste Parsifal in Bayreuth?
Laufenberg: Weiß ich nicht. Ich habe ein Programmheft von 1982 gefunden — zum 100-Jährigen Uraufführungs- Jubiläum, Regie von Götz Friedrich mit James Levine am Pult. Da habe ich damals dringesessen. Ich habe mir Notizen gemacht, wie ich es inszenieren würde. Ich habe das noch. Es sind drei handgeschriebene Seiten, die ich während der Aufführung reingekritzelt habe.

Parsifal-Notizen von 1982 noch brauchbar

Sind die Notizen noch brauchbar?
Laufenberg: Zwei Drittel sind völliger Käse — und ein Drittel mache ich tatsächlich.

Was sagen Sie zum Schlingensief-Parsifal?
Laufenberg: Wolfgang Wagner hat ja gesagt, das ist nicht Parsifal sondern Hasifal. Ich habe sehr viel Schlingensief an der Volksbühne gesehen. Er war ja sehr selbstreflektierend. Als er dann Krebs bekommen hat, hat er über sein eigenes Sterben, seinen eigenen Tod noch unglaubliche Kunstwerke „rausgehauen“. Christoph Schlingensief hat es wirklich geschafft, die Eindrücke an Welt, die da auf ihn einstürzen, ganz nach außen zu geben. Und der Parsifal war sicherlich ein Medium, das zu tun. Inwieweit das nun Parsifal oder – um mit Wolfgang Wagner zu sprechen – Hasifal  oder Schlingenfal war, ist offen. Aber dass es ein großes Kunstwerk war, ist unbestritten.

Der jüngste Parsifal von Herheim?
Laufenberg: Das ist insofern ganz interessant, weil Herheim etwas gemacht hat, was ich bei den Meistersingern in Köln gemacht habe – und das zeitgleich. Was für den Ring relevant ist, für Parsifal für mich aber überhaupt nicht, ist diese Zeitreise. Herheim hat sich ja letztlich an der Geschichte von Bayreuth abgearbeitet, hat den ersten Akt bis zum ersten Weltkrieg spielen lassen, mit der ganzen Vergangenheitsverarbeitung: der ‚reine Tor‘, der immer so tut, als wenn er nichts wüsste. Für mich ist das Konzept schon im zweiten Akt brüchig gewesen, und im dritten habe ich es ehrlich gesagt gar nicht mehr verstanden. Aber es war auf alle Fälle tolles Handwerk, tolle Kulisse, das war schon was. Und es war vor allem beim Publikum ein Riesenerfolg.

Jedes und kein Etikett stimmt

Wo können wir Sie künstlerisch einordnen?
Laufenberg: Ich hatte immer das Talent, dass man mir alles zugetraut hat und nichts. Ich habe mich immer zwischen alle Stühle gesetzt. Viele Leute haben mich schon so oft totgesagt — aber noch gibt’s mich. Jedes Etikett, das man mir draufkleben kann, stimmt und im nächsten Moment schon wieder nicht mehr. Man kann mich als konservativ bezeichnen, als Revoluzzer, als respektlos, als jemand, der nur brav und angepasst ist. Stimmt immer irgendwie alles — und nichts davon.

Wenn wir schon bei den Schubladen sind: Sie sind Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller, Sänger…
Laufenberg: …Sänger bin ich nicht. Ich habe den Eisenstein zwar gesungen, aber da habe ich es mit Florence Foster Jenkins gehalten: ‚Man kann sagen, ich habe schlecht gesungen. Man kann nicht sagen, ich habe nicht gesungen!‘. Es hatte in Bochum von Adolf Dresen mal eine Fledermaus gegeben, nur mit Schauspielern. Dem wollten wir in Potsdam nachkommen. Aber die Kritik hat mich – sehr zurecht – sehr zerrissen, aber ich habe auch 30 sehr erfolgreiche Vorstellungen gegeben, weil ich es als Komödiant gemacht habe, nicht als Sänger.

Nun gut. Bleibt Regisseur, Intendant, Schauspieler, Buchautor. In welcher Funktion fühlen Sie sich am wohlsten?
Laufenberg: Als Schauspieler.

Warum sind Sie dann Intendant?
Laufenberg: Es gibt diesen Witz „Wie ist der Beruf des Regisseurs entstanden?“ Stehen zwei Schauspieler auf der Bühne. Der eine sagt zum anderen, guck mal von unten, ob ich in der Mitte stehe. Und der ist dann nicht wiedergekommen… So ein bisschen war das bei mir auch. Schon in der Schauspielschule war ich mit allem, was die Regie betraf, unzufrieden. Die Zeiten von Gustaf Gründgens sind ja vorbei, der sich noch selber inszenieren konnte. Das habe ich auch einmal gemacht, aber ich habe eingesehen, das bringt nichts. Das schwächt sowohl als Schauspieler als auch als Regisseur. Wenn ich spiele, dann nur unter fremder Regie.

Haben Sie den Schritt bereut?
Laufenberg: Nein. Aber in Wiesbaden habe ich auch ein Sprechtheater. Und das heißt, ich werde nächstes Jahr eine Rolle übernehmen.

Nächstes Jahr wieder auf der Bühne

Welche?
Laufenberg: Das sage ich jetzt noch nicht, aber das habe ich jetzt fix gemacht. Im Grunde kommt man, wenn man für den ganzen Apparat verantwortlich ist, nicht mehr so leicht zurück auf die Bühne. Ich bin aber auch sehr, sehr gerne Intendant. Sowohl in Potsdam als auch in Köln habe ich sehr glückliche Zeiten gehabt. Auch in Wiesbaden habe ich so ein tolles Haus, so ein tolles Schauspielensemble, so tolle Sänger. Das ist also das, was mir im Moment die meiste Freude macht und was mir die meiste Kraft gibt.

Zurück nach Bayreuth und zu den Buhs mit denen Regisseure gern bedacht werden. Gehen Sie mit einem gewissen Respekt an die Sache?
Laufenberg: Nein. Ich bin ja als nächstes in Wien, das ist viel verrückter. In Wien wird prinzipiell jede Neuinszenierung ausgebuht und nach fünf Jahren ist sie das Beste, was es überhaupt gibt. Und dann darf sie nicht mehr ersetzt werden. Dagegen ist Bayreuth eigentlich offen gegenüber Neuem, progressiv, bunt gemischt. Eigentlich ein ganz tolles Publikum. Wobei ich das Wiener Publikum gar nicht beschimpfen will. Es gibt eben diese Rituale.

Hatten Sie schon Kontakte zum Parsifal-Ensemble?
Laufenberg: Kennt man denn die Besetzung schon offiziell?

Andris Nelsons dirigiert, bekannt ist längst Klaus Florian Vogt als Parsifal, genannt wurden auch Petra Lang als Kundry und Georg Zeppenfeld als Gurnemanz.
Laufenberg: Ganz witzig: Ich habe an der Semperoper in Dresden Lady Macbeth von Mzensk  gemacht. Klaus Florian Vogt war damals Ensemblemitglied und hatte die kleine Rolle des Lehrers. Als Intellektueller gerät er in dieser stalinistischen Zeit in die Polizeimaschinerie und wird gefoltert und quasi entsorgt. Ich habe dem Vogt die Brille von Schostakowitsch aufgesetzt, weil der ja nach einem Artikel in der Prawda Angst hatte, ins Lager zu kommen. Ich habe das damals gleichgeschaltet. In einer kurzen Szene hat also der Polizeihauptmann, der aussah wie Stalin, mit dem gefolterten Vogt Walzer getanzt. Ein Kritiker, der mich gehasst hat, schrieb, der Laufenberg erblödet sich nicht, sich selbst darzustellen als Lehrer und Intellektueller. Er hat meine damalige Brille mit der Schostakowitsch-Brille verwechselt. Es hat also schon eine große Identifikation mit Vogt gegeben, so dass ich es witzig finde, dass wir uns wiederbegegnen. Er ist ein toller Sänger, ich mag ihn wahnsinnig gern und wir kennen uns wahnsinnig lange.

Klaus Florian Vogt mit Schostakowitsch-Brille

Und Andris Nelsons?
Laufenberg: Ich habe Andris Nelsons schon in Köln kennengelernt.

Stimmt sich der Regisseur mit dem musikalischen Leiter ab?
Laufenberg: Ja klar. Man trifft sich, stellt das Konzept vor. Wir haben ein Treffen aber bis jetzt noch nicht geschafft.

Werden Sie in diesem Sommer in Bayreuth sein?
Laufenberg: Ich denke, ja. In den letzten beiden Sommern war ich nicht dort, weil ich selber den Ring machte und ich mir den Castorf-Ring nicht anschauen wollte.

Warum nicht?
Laufenberg: Ich war in früheren Jahren ein so großer Castorf-Fan. Aber wenn man zu sehr Fan ist, ist man auch zu sehr enttäuscht, wenn dann der Bewunderte eine Richtung einnimmt, wo man denkt — naja.

Provozieren Sie gern?
Laufenberg: Nicht um des Provozierens willen. Aber Wahrheit ist immer kompliziert und manche Wahrheiten müssen auch mal von einer anderen Seite beleuchtet werden, auch wenn einige Leute sich dann vor den Kopf gestoßen fühlen, weil sie das nicht als Wahrheit akzeptieren. Ich glaube, es ist Aufgabe der Kunst, gewissen Verdrängungen entgegenzuarbeiten. Es geht nicht darum, dass man die Leute vor Empörung schreien hören will, sondern man möchte ihnen sagen, nehmt das bitte mit in Augenschein und in euer Bewusstsein — weil: Das gibt es.

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Laufenbergs Insz. genial handwerklich. Hut ab. Das Werk zu entschlüsseln mit neuen Symbolen gleicht der Quadratur des Kreises.-Aber-Parsifal ist kein Werk von Religionsgeschichte sondern eins, daß das Verhältnis von Religion und Sexualität, Liebe/tod(sehnsucht od. -trieb) zum Inhalt erhebt.letztlich stellt Wagner die These auf: nur unter Triebverzicht soll od. kann man die Welt durch- Mitleid- aktiv ändern bzw. erlösen. Schopenhauer litt auch unter Triebverzicht.

    Antworten
  • […] das Premierenstück (in diesem Jahr „Parsifal“ in der Regie von Uwe Eric Laufenberg – hier übrigens ein Interview mit dem Regisseur, das wir vor einem Jahr geführt haben). Für den Ring […]

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.