Lohengrin Neuinszenierung Bayreuther Festspiele.

Lohengrin: Märchen mit Message

Ist das schön! Darf man so etwas überhaupt sagen in der Hochkultur, dass etwas einfach nur schön ist, zauberhaft? Man darf, Kanzlerin Angela Merkel tat’s und zeigte sich beim Staatsempfang im Anschluss an die Premiere von „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen sehr begeistert von der Neuinszenierung “Lohengrin”,  Ministerpräsident Markus Söder jubelte ebenfalls über eine “tolle Vorstellung”.

Lohengrin mit Schattenseiten

Tatsächlich kann man sich an diesem Lohengrin nicht nur nicht satthören, sondern auch nicht sattsehen – zumindest an den Bildern. Das singende Personal ist entzückend gekleidet, hat aber erstaunlich wenig zu tun, sondern stehen meist nur herum, fuchtelt ein wenig mit den Armen oder schreitet bedeutsvoll auf und ab. Das ist allerdings der einzige Makel eines traumhaften “Märchens”, das in Zeiten von #metoo eine erfreulich feministische Aussage hat. Nämlich: Mädchen, trau dem Traumprinzen nicht  – die Rettung hat ihren Preis!

Lohengrin 2018 Bayreuther Festspiele.
Lohengrin Piotr Bezcala mit “Beute” Elsa, Anja Harteros. Das Volk jubelt und sein König, Georg Zeppenfeld, jubeln, Ortrud, Waltraud Meier, warnt im Hintergrund. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Opulenz auf der Bühne

Ein opulentes Fest in Blau feiern Neo Rauch und Rosa Loy auf der Bühne; darunter zelebrieren Christian Thielemann und das Bayreuther Festspielorchester den Rausch der Musik, ohne einen Klangbrei zu produzieren. Es gibt beeindruckende Generalpausen, jede kleinste Notenschleife wird genommen. Kein Kitsch, Krach oder Gefühlsduselei. Schon beim Vorspiel hat man den Eindruck, dass es so, ganz genau so klingen muss. Diesen Eindruck wird man im Laufe des Abends nicht mehr los.

Musikalisches Fest

Und die Sängerinnen und Sänger: „Nicht zu übertreffen“, schwärmen schon am Ende des ersten Akts Wagner- und Bayreuth-Kenner, also Leute, die viel und oft Oper und Wagner hören. Was will man an dieser Besetzung tatsächlich mäkeln? Anja Harteros ist eine bezaubernde Elsa, Piotr Beczala ein strahlender Lohengrin, Waltraud Meier als Ortrud eine pure Freude und übrigens nur noch in dieser Saison in dieser Partie zu erleben, Georg Zeppenfelds Bass als König Heinrich ein Genuss und Tomasz Konieczny ein richtig wuchtiger ehrverlorener Telramund. Manche Zuschauer beklagten die Lautstärke des Chors, was vielleicht dem Bühnenrund geschuldet ist, das Neo Rauch und Rosa Loy geschaffen haben.

Die Messlatte nach dem beliebten Ratten-„Lohengrin“  von Hans Neuenfels lag hoch. Weil das Märchenland in Blau indes so völlig anders ist, ist  ein Vergleich schlicht nicht möglich – und gut so. Die Kostüme, angelehnt an die Delphter Zeit, sind wundervoll anzusehen. Die Hauptrollen bekommen zarte Insektenflügel angelegt, die andeuten, dass sich hier alles um eine sehr fragile Welt handelt. Schade, dass Regisseur Yuval Sharon mit dem riesigen Chor (noch) nicht mehr eingefallen ist, als dass sie ab und an die Hände formen, als würden sie eine Kugel fassen. Ansonsten stehen die Leute eigentlich sehr viel herum.

Verschwommenes Schilfland

Das fällt aber vor allem im zweiten Akt nicht auf. Denn da zaubert Lichtregisseur Reinhard Traub mit den Bühnenelementen ein düsteres Schilfland, in das die Bühnenkünstler die Handlung verlegt haben. Hier tauchen Ortrud und Telramund auf, verschwinden wieder, hebt sich aus dem Nichts verschwommen ein Turm, aus dem Elsa hinreißend in den Dialog mit der warnenden Ortrud tritt. Wenn der Regie schon mit den Personen nicht so viel eingefallen ist, dann zumindest in der Aussage: Es gibt nicht schwarz und weiß, nicht gut und böse. Lohengrin ist nicht der strahlende Held, sondern eigentlich der Loser im Stück. Elsa ist nicht das Naivchen, das sich jubelnd in des Retters Arme wirft, sondern fühlt sich ob der Eroberung sichtlich unwohl und wirkt, als müsse sie zwischen Pest und Cholera wählen. In dieser Konsequenz fällt sie am Ende auch nicht tot darnieder. Stattdessen sind Elsa und Ortrud die einzigen Überlebenden, nachdem sich der Schwanenritter förmlich von dannen geschlichen hat.

Lohengrin Schluss Bayreuther Festspiele
Kein Schwan in Sicht. Der Retter geht. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Grünes Waldmännchen

Bis dahin, so gut. Leider taucht dann der nicht zu vermeidende Gottfried auf, der verschwundene Bruder Elsas – hier so  überflüssig wie ein Kropf und im waldgrünen Ganzkörperdress zwar ein reizvoller farblicher Gegensatz zu Elsas Orange, aber sein blinkendes Zweiglein will wohl sagen, dass die Elektrizität, die Lohengrin gebracht hat, in Brabant bleibt. Das ist ein bisschen fad.

Ansonsten verklingen die letzten Takte, der Vorhang schließt sich und der Jubel bricht los. Zwölf Minuten Applaus.

Dank ans Publikum

Darüber freut sich übrigens Festspielleiterin Katharina Wagner später auch beim Staatsempfang im Neuen Schloss. In ihrer kurzen Rede dankt sie den Geldgebern der Bayreuther Festspiele hervor – das sind die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Bayern, die Stadt Bayreuth und die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth -, allen Mitwirkenden, und denen, für die der ganze Aufwand eigentlich betrieben wird — den Zuschauern. Ein netter Zug nach einem märchenhaften Abend (Beitragsbild: © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele)

Übrigens: 3sat zeigt die Aufzeichnung der Premiere am Samstag, 28. Juli um 20.15 Uhr. Der Livestream ist außerdem auf BR Klassik zu finden.

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