Mehr Leidenschaft: Petra Lang als Isolde und Stephen Gould als Tristan im ersten Akt. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Leidenschaft in “Tristan und Isolde”

Bundeskanzlerin Angela Merkel war da. Ach, ja? Nicht der Rede wert bei den  Pausengesprächen oder am Schluss vor dem Festspielhaus. “Ein Wahnsinn”, hört man immer wieder.  „Tristan und Isolde“, die letzte Premiere der Saison 2016 bei den Bayreuther Festspielen wird gefeiert. Im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Sensation. Unglaubliches Dirigat, klasse Sänger, starke Darstellung voller Leidenschaft.

Bundeskanzlerin kein Thema

Insgesamt eine Teamleistung, für die Regisseurin Katharina Wagner gesorgt hat. Aber Undank ist der Welten Lohn:  Als sie sich mit Dramaturg Daniel Weber am Ende zeigt — diesmal weit länger als letztes Jahr — wird sie ausgebuht. Das gehört sich in Bayreuth so für die Regie, am besten für die Hausherrin selbst. Warum auch immer.

Die Unzufriedenheit im Publikum über Interna der Festspiele macht auch nicht ganz halt vor Christian Thielemann. Zumindest bei seinem zweiten Erscheinen vor dem Vorhang setzt’s einige Unmutsbekundungen, wahrscheinlich für seine Position als Musikdirektor. Wer allerdings nach diesem Tristan vor diesem Thielemann nicht zumindest gedanklich niederkniet, sollte sich dann doch lieber seine Lieblings-CD daheim einlegen. Fast schade übrigens, dass die Produktion schon im letzten Jahr aufgezeichnet wurde.

Jubel für die Sänger

Tosender, donnernder Applaus für die gesamte Sängerriege. Petra Lang ist eine Entdeckung als Isolde. Ihr dunkles Timbre der Stimme hält bis zu einem höchst bewegenden „Liebestod“. Dazu ist die Frau eine begnadete Darstellerin. Die Begegnungen mit dem mindestens ebenso unglaublichen Stephen Gould im ersten Akt sehen endlich nicht mehr wie Turnübungen, sondern wie echte Leidenschaft aus. Wenn die beiden nun übereinander herfallen, liegt tatsächlich Spannung in der Luft, für die es keinen Liebestrank mehr braucht.

Nach dem Isoldendebakel im vergangenen Jahr, als Evelyn Herlitzius Anja Kampe ablöste und dann erst zur Premiere wirklich singen konnte, zeigt sich in diesem Jahr eine eingespielte Gemeinschaft. Und so hat man schon im Laufe des ersten Aktes den Eindruck, hier will jeder ungehemmt sein Bestes geben, auf nichts weiter Rücksicht nehmen. Alle konzentrieren sich aufs Wesentliche: die Musik.

Claudia Mahnke glänzender Ersatz

Thielemann kann das Orchester zu höchsten Emotionen aufschwingen lassen. Er muss keinen Sänger „tragen“, denn jeder kommt auch im Crescendo bestens klar. Selbst Claudia Mahnke, die kurzfristig für die erkrankte Christa Mayer als Brangäne einspringt, singt und spielt, als hätte sie sämtliche Proben mitgemacht. Was selbstverständlich nicht der Fall war. Bei der Generalprobe hatte Christa Mayer noch eine wundervolle Partie gesungen, doch nun wurde sie Opfer des launischen Wetters.

Despot, Mafiosi: Georg Zeppenfeld überzeugt als König Marke. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele
Despot, Mafiosi: Georg Zeppenfeld überzeugt als König Marke. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Sorgen möchte man sich fast um Georg Zeppenfeld machen. Heute die nicht gerade kleine Partie des Marke, morgen der noch anstrengendere Auftritt als Gurnemanz im Parsifal. Hoffentlich überanstrengt er diese wunderbare Stimme nicht. Zeppenfeld ist einer der Publikumslieblinge in Bayreuth. Zurecht. Ihn möchte man nicht wirklich als traurigen Onkel sehen, dem der Untertan die Frau ausgespannt hat. Zeppenfelds Bass ist ohnehin ein Hammer, dazu macht er sich prächtig in der Rolle des rachsüchtigen Mafiosi. Wer sich am Morgen den Einführungsvortrag von Dr. Sven Friedrich anhört, erfährt übrigens, dass diese Darstellung kein Regiegag ist, sondern die Partitur diese Deutung absolut zulässt. (Mehr über die Regie: hier.) Ansonsten sind jedem Bayreuth-Besucher die Einführungsvorträge wärmstens empfohlen.

Mehr Leidenschaft

Eklatantes hat Katharina Wagner mit ihrem Dramaturgen Daniel Weber, Bühnenbildner Frank Schlössmann und Matthias Lippert sowie Kostümbildner Thomas Kaiser nicht verändert. Es wurde gefeilt: Weniger Hektik im ersten Akt auf den vielen Treppen, mehr Leuchtsternchen des Liebespaares im zweiten Akt und noch deutlichere gemeinsame Suizid-Absichten. Mit der Schlinge um den Hals werden Tristan und Isolde indes am Ende von Marke und Gefolge erwischt. Sie überleben diesen Akt, womit einem dritten Akt nahezu als Offenbarung nichts mehr im Weg steht. Ein kraftvoll leidender Stephen Gould fiebert der Ankunft der Geliebten entgegen. Mittlerweile ist die Zahl der Isolden-Erscheinungen übrigens auf 14 angewachsen. Unglaublich, welches Potenzial Goulds Stimme hat, die nicht einen Anflug von Ermüdung in dieser Mörderpartie zeigt.

14 Isolden erscheinen Tristan (Stephen Gould) im dritten Akt. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele
14 Isolden erscheinen Tristan (Stephen Gould) im dritten Akt. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Nach dem wahnsinnigen Liebestod der Isolde wird diese von ihrem „Besitzer“ Marke weggezerrt, die Treuen sind tot, Tristan auch. Zurück bleibt eine fassungslose Brangäne. Und während sie vor sich hinstarrt, schwingen die letzten Klänge, die ja nach dem Tristan-Akkord in hoffnungsvolles Dur wechseln,  aus dem Graben.

Kurze, bewegte Stille. Dann Jubel, sehr langer Jubel.

Petra Lang als neue Isolde von Bayreuth. Hier die Schlussszene. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele
Petra Lang als neue Isolde von Bayreuth. Hier die Schlussszene. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

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