Rund 300 Journalisten aus Deutschland und der ganzen Welt sind bei den Bayreuther Festspielen akkreditiert. Manche, so die Pressestelle, kaufen sich sogar die Karten selbst; manche Journalisten kommen schon seit den 50er Jahren. Nicht ganz so lange, nämlich seit 1964, also seit 51 Jahren, zählt Dr. Sieglinde Pfabigan, Chefredakteurin des “Neuen Merker” in Wien zu den schreibenden Beobachtern. Für festspieleblog.de gibt sie eine Kurzkritik über die aktuellen Inszenierungen ab.

Dr. Sieglinde Pfabigan, Chefredakteurin "Der Neue Merker". © R. Ehm-Klier/festspieleblog.de

Das ist ein Vergleichspensum: Seit 54 Jahren ist Dr. Sieglinde Pfabigan kritische Begleiterin der Bayreuther Festspiele. Aus Leidenschaft und Profession. Dr. Sieglinde Pfabigan ist Chefredakteurin von „Der Neue Merker“, einem Magazin, das als „Merker“ seit 1956, kurz vor dem Amtsantritt von Herbert von Karajan als künstlerischer Leiter der Wiener Staatsoper, von einem „engagierten Stehplatzteam gegründet wurde“, erzählt die Chefredakteurin von den Ursprüngen. Ziel: Jede, wirklich jede, Vorstellung der Wiener Staatsoper zu besprechen — auf eigene Kosten.

Kritiken ohne Honorar

Daran hat sich bis heute nichts geändert: Der „Merker“ kauft stets Karten für die komplette Saison im vierten Rang, „die besten der billigsten“, erklärt die Opernliebhaberin, die Rezensenten arbeiten ehrenamtlich, das heißt, sie bekommen kein Honorar für ihre Arbeit. Und trotzdem liefern mittlerweile rund 100 Opern-Kenner pünktlich ihre Besprechungen aus der internationalen Opernwelt in der Wiener Redaktion ab. Jeden Monat erscheint „Der Merker“, der als gemeinnütziger „Verein zur Förderung des Verständnisses für Musiktheater“ auftritt und sich ausschließlich vom Verkauf, Spenden und Anzeigen finanziert. „So kommen wir über die Runden“, sagt die Chefredakteurin. Daneben  gibt es auch eine eigene Online-Ausgabe mit einem eigenen Mitarbeiterstab, die ebenso ehrenamtlich entsteht wie dieedruckte „Schwester“.

Seit 1964 in Bayreuth

Dr. Sieglinde Pfabigan hat für sich Bayreuth reserviert, wo  sie seit 1964 als Journalistin rezensierend akkreditiert ist, also Pressekarten bekommt. „Das ist die einzige Ausnahme“, sagt sie fast entschuldigend. Dabei waren die Bayreuther Festspiele die Geburtsstätte des „Neuen Merker“,  der gegenüber dem ursprünglich  “Merker“,  einem hektografierten Blättchen mit einem eingeklebten schwarz-weiß-Foto, seit 1989 auf  mittlerweile meist 100 Seiten mit ebenso vielen Farbbildern angewachsen ist.  Einmal im Jahr gibt es ein großes Festspielheft. Da die Wiener Gymnasiallehrerin für Deutsch und Englisch in Linz aufgewachsen  und dort bereits der Oper verfallen ist, sind ihr nicht nur die großen Häuser wichtig. Die Chefredakteurin legt viel Wert auf Besprechungen aus der so genannten Provinz. Nach wie vor gibt es kein Personal, nach wie vor geschieht alles ehrenamtlich: „Seit ich in Pension bin, ist das mehr als ein „fulltime job“, lacht Sieglinde Pfabigan über das Arbeitspensum.

“Sehe Lichtblicke”

2015 wird die Kritik im „Neuen Merker“ (Merker = Beckmesser) für die Bayreuther Festspiele besser ausfallen als in den Vorjahren: „Ich sehe Lichtblicke“, erklärt Dr. Pfabigan. So beurteilt sie Katharina Wagners „Tristan und Isolde“ als Inszenierung mit „Hand und Fuß“. Wobei sich ihr von den 186 verschiedenen Tristan-Aufführungen, die sie in ihrem Leben schon gesehen hat, die mit Birgit Nilsson und Wolfgang Windgassen in der Inszenierung von Wieland Wagner am stärksten eingeprägt hat. Ihr zweites persönliches Highlight in Bayreuth erlebte sie ebenfalls in den 60ern: Wieland Wagners „Tannhäuser“ unter Wolfgang Sawallisch, „unerreicht“.

Exklusive Kurzkritik

Für festspieleblog.de gibt Dr. Sieglinde Pfabigan ihre Kurzurteile zu den Inszenierungen 2015 ab:

  • Tristan und Isolde: Eine wohl durchdachte, diskutierenswerte Inszenierung mit sehr interessanter Personenführung und Ausstattung, die beste, die  Katharina Wagner bisher abgeliefert hat. Dirigat (Thielemann) und Sänger haben Bayreuth-Format.
  • Ring des Nibelungen:  „Lebt ausschließlich von den Sängern und einem wunderbaren Dirigat von Kirill Petrenko“. Zur Regie mag sie nichts mehr sagen: „Ich mache Herrn Castorf nicht die Freude, mir Gedanken über ihn zu machen“.
  • Der fliegende Holländer: „Brillant gemacht, damit kann man leben“.
  • Lohengrin: „War von Anfang an musikalisch sehr schön und die Ratten sind wenigstens lieb.“

Mehr über „Der Neue Merker“: sieglinde.pfabigan@chello.at  oder merkerfotos@gmail.com 

Online-Merker: http://www.der-neue-merker.eu

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