Der letzte „Ring“ in der Inszenierung von Valentin Schwarz bei den Bayreuther Festspielen ist Geschichte. Zum letzten Mal umarmten sich die Babys – zuerst am Anfang, dann noch einmal ganz am Ende. Dazwischen liegt eine vierteilige Geschichte, die kaum Hoffnung macht: Diese Welt ist keine bessere. Wir haben die zweite der beiden Ring-Aufführungen 2025 besucht (ab 15. August 2025).
Während sich aus dem Orchestergraben langsam der Rhein wogend erhebt, entfaltet Schwarz seine Lesart der Nibelungensaga. Wotan und Alberich sind hier Zwillingsbrüder, die sich schon im Mutterleib feindlich gegenüberliegen. Aus der anfänglichen Umarmung wird erbitterte Ablehnung – und am Ende sogar Gewalt: Alberich kratzt dem Bruder das Auge aus. Die berühmte Klappe des Göttervaters wird damit bereits im „Rheingold“ schlüssig erklärt.
Dass ein Werkstattgedanke nicht Stillstand bedeutet, zeigt sich deutlich: Der Regisseur hat auch im letzten Jahr der Laufzeit noch an kleinen Stellschrauben gedreht.
Starke Besetzung
Das Sängerensemble beeindruckt durchweg mit Extraklasse. Nicolas Brownlee, zuletzt in Bayreuth gefeierter Hans-Sachs-Einspringer, in München ebenso als Wotan im Einsatz, übernimmt hier die kleine Partie des Donner – und setzt auch in dieser Nebenrolle ein Ausrufezeichen, ebenso wie sein Götterkollege Mirko Roschkowski als Froh. Großartig darstellerisch und gesanglich: Daniel Behle als Loge, der mit feiner Ironie das Geschehen kommentiert.
Tomasz Konieczny als Wotan gewinnt von Jahr zu Jahr an Durchschlagskraft. Sein Göttervater ist ein unsympathischer Machtmensch, dem Moral und Mitgefühl gleichgültig sind – ein Egoist par excellence. Christa Mayer glänzt als Fricka in alter Form, nachdem sie im Vorjahr eher angestrengt wirkte. Christina Nilsson gestaltet eine berührend verzweifelte Freia, die im Machtspiel der Götter unter die Räder gerät und an die Riesen verschachert wird. Auch diese sind mit Tobias Kehrer (Fafner) und Patrick Zielke (Fasolt) erstklassig besetzt.
Der Star des Abends aber ist Ólafur Sigurdarson: Als Alberich scheint er seine Rolle gefunden zu haben. Mit erschütternder Wucht zeichnet er den linkischen Zwerg, der den Ring – in dieser Inszenierung ein Kind, der „Schatz der Gesellschaft“ – raubt. Eine Idee, die im Rahmen der Produktion durchaus plausibel wirkt.
Über die weiteren Neuentdeckungen, Anna Kissjudit als Erda und Ya-Chung Huang als Mime, wird in den nächsten Ring-Aufführungen noch unbedingt mehr zu reden sein.
Wohnzimmer mit zerbrochenem Geschirr
Valentin Schwarz verlegt die Handlung in eine jetzige Zeit. Wotan ist Chef eines Unternehmens, die Bühne zeigt ein nobles Wohnzimmer. Bedienstete wuseln umher, polieren, räumen auf – Statistinnen und Statisten der Festspiele haben viel zu tun. Doch so viel zerbrochenes Glas und Geschirr können sie gar nicht beseitigen, wie im moralischen Sinne zersplittert.
Ein „Rheingold“, das konsequent erzählt wird – und mit musikalischer und sängerischer Wucht den Auftakt zum letzten Bayreuther Ring dieses Regieprojekts markiert.
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