Elina Garanca als Kundri in Parsifal, Bayreuther Festspiele 2025

„Bayreuth war für mich die Erfüllung eines Kindheitstraums“ – Elīna Garanča im Interview

Mit „Parsifal“ in einer Spitzenbesetzung gehen die Bayreuther Festspiele 2025 in den Endspurt. Das Starensemble um Georg Zeppenfeld (Gurnemanz) und Michael Volle (Amfortas) wird bei den beiden letzten Vorstellungen (24. und 26. August) mit Elina Garanca erweitert. Die lettische Sängerin verkörpert nach ihrem Debüt 2023  in diesem Jahr wieder Kundry. Wie es sich anfühlt, einen kurzen Bayreuther Sommer zu erleben und wie sie das Singen im legendären Festspielhaus erlebt – das und mehr beantwortet Elina Garanca im Interview.

„Ein Sprung ins Ungewisse“ – das Debüt 2023

Vor zwei Jahren traten Sie zum ersten Mal für nur zwei Vorstellungen bei den Bayreuther Festspielen auf. Was war ausschlaggebend, dass Sie wenigstens zwei Abende in Bayreuth auftraten? Und was bedeutete dieses Debüt für Sie persönlich?

Elīna Garanča: Es war wirklich eine besondere Situation. Ekaterina Semenchuk musste kurzfristig absagen, und die Festspiele haben mich gefragt, ob ich einspringen könnte. Für mich war sofort klar: Das mache ich. Zum einen, weil Bayreuth natürlich ein einmaliger Ort ist, und zum anderen, weil Wagner ja selbst einmal über ein Festspielhaus in Riga nachgedacht hat, das berührt mich als Lettin sehr. Für mich war dieses Debüt die Erfüllung eines Kindheitstraums. Bayreuth bedeutet große Verantwortung, aber gleichzeitig spürt man dort eine unglaubliche Energie. Es war für mich ein Sprung ins Ungewisse, und nach der Premiere war ich sehr erleichtert, eine enorme Last ist von mir abgefallen.

Gerade in der Rolle der Kundry, mit all ihren Extremen, habe ich gemerkt, wie sehr der Raum mich unterstützt, fast so, als ob er selbst Teil der Aufführung wäre.

Die Magie des Festspielhauses

Das Bayreuther Festspielhaus wurde ja für „Parsifal“ gebaut – haben Sie das als Sängerin gespürt?  

Elīna Garanča: Ja, absolut. Die Akustik, die besondere Atmosphäre, die Stille im Publikum, all das verbindet sich zu einer Kraft, die einen durch die Musik trägt. Für uns Sängerinnen und Sänger ist es ein sehr intimes Gefühl, weil jeder Ton, jede Nuance sofort im Raum präsent ist. Man fühlt sich dadurch einerseits unglaublich getragen, andererseits aber auch sehr verantwortlich, weil man nichts verstecken kann. Gerade in der Rolle der Kundry, mit all ihren Extremen, habe ich gemerkt, wie sehr der Raum mich unterstützt, fast so, als ob er selbst Teil der Aufführung wäre.

Man muss nicht gegen das Orchester ansingen, sondern die Stimme wird getragen und verliert sich nicht.

War es eine große Umstellung, in diesem Haus zu singen? Wo empfanden Sie den größten Unterschied zu einem „herkömmlichen“ Opernhaus?

Elīna Garanča: Bayreuth war für mich eine ganz neue Erfahrung. Durch den nach hinten verlegten Orchestergraben und die besondere Architektur wird jede Nuance hörbar. Da ich tatsächlich kaum Orchesterproben vor meinem Debüt hatte, war ich schon einige Stunden vor der Aufführung auf der Bühne, um die Akustik zu prüfen und wie sich der Klang im Raum verhält. Man muss nicht gegen das Orchester ansingen, sondern die Stimme wird getragen und verliert sich nicht. Das macht das Singen hier unglaublich intensiv.

Atmosphäre in Bayreuth

Konnten Sie ein wenig „Festspielatmosphäre“ genießen oder wie erlebten Sie dieses Treffen der Wagnerianer auf der Bühne und im Publikum?

Elīna Garanča: Die Atmosphäre in Bayreuth ist wirklich etwas ganz Besonderes, fast ein bisschen mystisch. Man muss sich dort immer wieder kneifen, um zu begreifen, dass man wirklich dort ist. Das Publikum hört so konzentriert zu, dass man die Spannung im Raum richtig spürt. Für mich war es fast wie ein Traum, plötzlich selbst auf dieser Bühne zu stehen.

Bayreuther Festspiele 2023. Elina Garanca und Andreas Schager in "Parsifal"
Elina Garanca als Kundry mit Andreas Schager in der Titelpartie von Parsifal 2023.  © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

 

Was reizt Sie an der Partie der Kundry, vor allem in dieser Produktion, wo Sie eine „Doppelgängerin“ haben. Mussten Sie sich daran gewöhnen? 

Elīna Garanča: Die Partie der Kundry ist für mich vor allem vokal unglaublich spannend, weil sie ein sehr großes Ausdrucksspektrum verlangt. Besonders der zweite Akt, eigentlich der ‚Kundry-Akt‘, ist eine enorme Herausforderung. Die Rolle verlangt nicht nur stimmliche Kondition, sondern auch die Fähigkeit, die Intensität und Emotion den ganzen Abend hindurch stetig zu steigern. Aber Kundry ist nicht nur eine stimmlich anspruchsvolle, sondern auch eine faszinierende Figur. Ich liebe Rollen, in denen man sich ganz auf den Partner einlassen und eine echte Verbindung aufbauen kann, in diesem Fall mit Parsifal. Das macht das Spiel besonders aufregend. Mit Andreas Schager habe ich zudem einen Kollegen, der unglaublich offen und ehrlich auf der Bühne agiert. Mit einem Partner wie ihm muss man als Sängerin gar nicht viel konstruieren, man reagiert einfach auf die Impulse, die man bekommt, und so entsteht die Figur ganz natürlich.

wenn alle Beteiligten musikalische Erfahrung und Professionalität einbringen, dann wird selbst ein stressiger Prozess am Ende sehr angenehm, effizient und bereichernd

Zusammenarbeit mit Jay Scheib und Pablo Heras-Casado

Wie verlief die Einstudierung und wie war die Zusammenarbeit mit Regisseur Jay Scheib und Dirigent Pablo Heras-Casado?

Elīna Garanča: Die Partie der Kundry habe ich, wie bei allen großen Rollen, sehr früh begonnen vorzubereiten, in der Regel etwa ein Jahr im Voraus. Zum ersten Mal habe ich sie in Wien gesungen, das war während der Coronazeit. Da insgesamt weniger Arbeit anstand, konnte ich mich damals wirklich intensiv mit der Rolle beschäftigen. Die Vorbereitung für diese Produktion war dagegen etwas stressig, weil ich kurzfristig eingesprungen bin und nicht die gesamte Probenzeit nutzen konnte. Umso wichtiger war es, dass Jay und Maestro Pablo Heras-Casado mich sehr herzlich aufgenommen haben, beide waren unglaublich geduldig, offen und gleichzeitig sehr schnell und effektiv in der Arbeit, so wie ich es selbst auch mag. Ohne Vertrauen, Erfahrung und Professionalität wäre das in dieser Situation gar nicht möglich gewesen. Das Team hat mich jedenfalls von Anfang an umarmt, und ich habe in diesem Moment alles gegeben, was ich konnte. Und wenn alle Beteiligten musikalische Erfahrung und Professionalität einbringen, dann wird selbst ein stressiger Prozess am Ende sehr angenehm, effizient und bereichernd.

Wenn es also wieder passt, sowohl von der Rolle als auch vom Zeitpunkt, dann sehr gerne. Aber es soll etwas Besonderes bleiben

Bayreuth – ein besonderer Ort

Können Sie sich vorstellen, Bayreuth künftig häufiger in Ihren Termin-Kalender aufzunehmen – oder bleibt es bei den vier exklusiven Gastauftritten? 

Elīna Garanča: Bayreuth war für mich ein unglaubliches Erlebnis, aber auch eine große Herausforderung. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Chance hatte, und werde diese Abende nie vergessen. Gleichzeitig weiß ich, dass Bayreuth für Sängerinnen und Sänger enorme Anforderungen stellt, nicht nur stimmlich, sondern auch zeitlich, um eine Rolle einzustudieren. Für mich ist Qualität wichtiger als Quantität und wenn es also wieder passt, sowohl von der Rolle als auch vom Zeitpunkt, dann sehr gerne. Aber es soll etwas Besonderes bleiben.

Wird man Sie in absehbarer Zeit in weiteren Wagner-Partien erleben können?

Elīna Garanča: Wagner ist Teil meines künstlerischen Horizonts, aber ich gehe bewusst Schritt für Schritt. Die Ortrud im Lohengrin reizt mich sehr, ich denke, diese Partie könnte eine gute Erweiterung meines Repertoires sein, gerade mit Blick auf meine stimmliche Entwicklung. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen raten mir zwar, vorsichtig zu sein und meinen Weg nicht zu früh in diese Richtung zu lenken. Aber trotz dieser Bedenken kann ich mir gut vorstellen, Wagner in naher Zukunft stärker in den Mittelpunkt meiner künstlerischen Aktivitäten zu stellen.

Bleibt in diesem Sommer ein wenig Zeit, den fränkischen Sommer zu genießen oder rufen andere Verpflichtungen?

Elīna Garanča: Dieser Sommer war wirklich außergewöhnlich voll von Konzerten und wunderschönen Projekten. Nach Bayreuth geht es für mich direkt weiter nach Gstaad, wo ich das Verdi Requiem singe und kaum ist das vorbei, beginnt auch schon wieder die Schule für meine Töchter, also kehrt der Alltag sehr schnell zurück. Natürlich versuche ich, die kleinen freien Momente dazwischen zu genießen, aber ehrlich gesagt, kann ich den September kaum erwarten, wenn endlich wieder mehr Zeit für mich selbst, meine Familie und meinen Garten bleibt.


Bayreuther Festspiele kurzfristig erleben – und das mit „Parsifal“, dem Stück, das Richard Wagner für dieses Festspielhaus komponiert hat. Elīna Garanča ist als Kundry am Sonntag, 24. August, und Dienstag, 26. August, dem letzten Tag der Festspiele 2025, zu erleben. Die musikalische Leitung hat der gefeierte Dirigent Pablo Heras-Casado. Und: Es gibt für beide Vorstellungen noch Karten. Hier geht es direkt in den Ticketshop der Bayreuther Festspiele: https://ticketshop.bayreuther-festspiele.de/de.html

Meisterhafter Erzähler: Georg Zeppenfeld in Parsifal.
Georg Zeppenfeld als Gurnemanz (stehend) mit den Knappen Margaret Plummer, Betsy Horne, Jorge Rodriguez-Norton, Garrrie Davislim, sowie Kundry, Elina Garanca beim Debüt 2023. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele