Siegfried mit Mime, dem Waldvogel und dem jungen Hagen. Der Ring des Nibelungen, Bayreuther Festspiele 2025

Siegfried Bayreuth 2025: Schräge Bilder und starke Stimmen

Valentin Schwarz setzt auch in Siegfried auf schräge Bilder zwischen Kasperletheater und Schönheitsfarm. Musikalisch überzeugt ein glänzend aufgelegtes Ensemble – von Klaus Florian Vogt bis Ya-Chung Huang – unter der souveränen Leitung von Simone Young.

Kindergeburtstag in der Höhle

Es wirkt wie eine bizarr-schauerliche Party: Mime bereitet in seiner Höhle einen Kindergeburtstag vor. Doch von Harmonie keine Spur – denn hier kann sich niemand leiden. Schon die Partitur verrät: Siegfried hasst Mime. Und Mime selbst erwartet keinen Dank, erst recht keine Liebe eines Ziehkinds, sondern Siegfried soll ihm Nothung, das Schwert, schmieden und schließlich angstfrei genug sein, um Fafner zu töten. Anschließend hätte auch der „Held“ seine Schuldigkeit getan. Es kommt anders…

Mime veranstaltet einen seltsamen Kindergeburtstag für Siegfried, Ring des Nibelungen, Bayreuther Festspiele 2025
Gruseliger Kindergeburtstag: Mime (Ya-Chung Huang) mit dem Wanderer (Tomasz Konieczny). © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Ya-Chung Huang als „Allzweckwaffe“ der Saison

Insofern ist dieser Kindergeburtstag zwischen hässlichen Figuren auf den Stühlchen mit Kasperltheater passend arrangiert. Mindestens ebenso großartig darin agiert Ya-Chung Huang – eine echte Entdeckung in dieser Festspielsaison. Ein spielfreudiger wie stimmlich versierter, ein rundum großartiger Sänger. Er zeigte sich in dieser Saison außerdem als „Allzweckwaffe“ der Saison. Dabei war die Festspielsaison 2025 bis zur Halbzeit fast untypisch rund verlaufen: Keine Skandale im Vorfeld, keine kurzfristigen Absagen oder Krankheitsfälle. Bevor allerdings erste positive Halbzeitbilanz gezogen werden konnte, häuften sich die Krankmeldungen auf dem Hügel. Kein Wunder, bei diesem extrem launischen Wetter.

Jedenfalls: Ya-Chung Huang war zur Stell. Er sprang als David in „Die Meistersinger von Nürnberg“ ein und vertrat für drei Vorstellungen den erkrankten Matthias Stier; bei Lohengrin trat er schnell der 2. Edle auf. Eine rundum gelungene Vorstellung!

Der Held und sein Maß

Und Siegfried selbst? Klaus Florian Vogt bestätigt erneut seinen Ausnahmestatus. Was er anpackt, gelingt. Seine Stimme bleibt geschmeidig, trotz vielfacher Verpflichtungen – er wahrt das richtige Maß und glänzt mit jugendlicher Kraft (Beitragsbild oben mit Victoria Randem als Waldvogel, links, sowie – von rechts – Branko Buchberg als „junger Hagen“ und Mime Ya-Chung Huang, © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele)

Stimmen, die beeindrucken

Großartig auch der Wanderer: Thomas Konetschny strömt mit samtenem Bassbariton. Sein Aufeinandertreffen mit Erda wird zum Ereignis: Anna Kissjudit kündet mit dunkler, drohender Altstimme Unheil an.

Erda in Siegfried, Ring des Nibelungen, Bayreuther Festspiele 2025.
Mahnend: Erda (Anna Kissjudit) in Siegfried. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Der Drache Fafner ist in der Welt, die Regisseur Valentin Schwarz geschaffen hat, kein Drache, sondern ein alter, bösartiger Mann, der in seinem Pflegebett für seine Umgebung so etwas wie ein Hausdrache ist – und überdies von Tobias Kehrer großartig gesungen wird. Ihm zur Seite sitzt und bangt der junge Hagen (Branko Buchberger). Ein Teilnehmender im gelben T-Shirt, das den „Ring“ oder den Nibelungenschatz –  was genau, wird nicht immer ganz klar – kennzeichnet. In jedem Fall ist er wertvoll und sitzt als Teil dieses geraubten „Schatzes“ neben Fafner. Als der tot ist, ist der junge Mann im gelben Shirt augenscheinlich nicht wegen des Verlustes traurig, sondern weil er seine Aufgabe verloren hat.

Die Tötung des "Drachen" in Siegfried, zweiter Aufzug, Ring des Nibelungen, Bayreuther Festspiele 2025.
Siegfried tötet den Drachen – Fafner schikaniert als boshafter, übergriffiger Senior seine Umgebung: Vorne: Klaus Florian Vogt (Siegfried), Tobias Kehrer (Fafner). Hinten: Victoria Randem (Waldvogel), Tomasz Konieczny (Der Wanderer), Olafur Sigurdarson (Alberich). © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Inszenierung wird deutlicher

Es wird jetzt, im letzten Jahr der Inszenierung deutlicher, dass Hagen eine Art Irrlicht ist, das, einst aus seiner vertrauten Umgebung gerissen, seinen Platz im Leben sucht – vergeblich, wie sich bei der Götterdämmerung, wenn Mika Kares als Hagen dann singend und tragend die Rolle übernimmt, zeigen wird.

Jetzt aber läuft der junge Hagen welpen-freudig seinem neuen „Herrn“ Siegfried hinterher. Der ist aber zunächst mit dem Waldvöglein beschäftigt: kurz und großartig von Victoria Randem dargestellt. Mit naiver Spielfreude und großartig frischer Stimme bezirzt sie Siegfried, bevor der sich zum Brünhilden-Felsen aufmacht.

Brünnhilde schläft nicht im Feuerkreis, sie schreitet mit verbundenem Gesicht und Sonnenbrille heran, in Begleitung von Grane, dem nächsten stummen Hauptdarsteller, toll gespielt bis zum bitteren Ende, von Igor Schwab. Denn: Die Walküren waren ja in der Schönheits-Klinik, somit wohl auch Brünnhilde.

Wenn der Verband fällt, erstrahlt Catherine Foster: keine jugendliche Walküre mehr, sondern eine gereifte Brünnhilde, froh über Sonne, Licht und Leben. Sie und Vogt feiern ein leidenschaftliches Finale.

Ein sicherer Teppich

Das Festspielhaus tobt – zu Recht. Denn musikalisch glänzt die Aufführung durch ein großes Miteinander. Simone Young erweist sich als musikalische Regisseurin, die die Fäden in der Hand hält, nie überfordert, allen Sängerinnen und Sängern einen sicheren Klangteppich ausbreitet und das Orchester in den Solopassagen richtig aufblühen lässt.


Gesehene Aufführung: 18. August 2025 (Ring II); hier mehr über Rheingold II und Walküre II