Nach der Premiere am 1. August 2025, gehört in der Radioübertragung, erweist sich die zweite Lohengrin-Aufführung bei den Bayreuther Festspielen 2025 als lohnendes Erlebnis: starke Sängerinnen und Sänger, ein prachtvoller Heinrich und ein Bühnenbild, das noch immer verzaubert. Und vor allem die Rückkehr von Christian Thielemann am Pult, dessen Bayreuth-Ohren fast wieder perfekt sitzen.
Nichts ersetzt das Live-Erlebnis
Es geht nichts über ein Live-Erlebnis. Da können Boxen noch so high-end sein, die Aufnahmetechnik noch so raffiniert. Und es heißt auch nicht, dass eine Premiere immer die erste Sahne ist. Zumindest bei Lohengrin II in dieser Saison bin ich froh, die zweite Aufführung gewählt zu haben.
Denn die Übertragung der Premiere am 1. August 2025 auf BR-Klassik war nicht unbedingt überzeugend. Schon der Auftakt wirkte harzig-schwer statt erwartungsvoll flirrend, die Stimmen kamen zu laut, die Abstimmung zwischen Graben und Bühne war nicht immer perfekt.
Mika Kares gibt seinem König Gewicht
Wohltuend: Mika Kares gab nach seiner krankheitsbedingten Absage bei der Premiere nun sein Bayreuth-Debüt als König Heinrich – mit samtenem Bass, großer Präsenz und einer Ruhe, die sich auf die Szene übertrug. Wie ein Fels in der Brandung. Auch Michael Kupfer-Radecky ist als Heerrufer des Königs sehr edel besetzt.
Vorspiel, Zauberwelt und Bayreuth-Ohren
Wohltuend, dass Mika Kares nach der krankheitsbedingten Absage bei der Premiere jetzt auf der Bühne sein Bayreuth-Debüt als Heinrich, der Vogler geben konnte und vom ersten Takt an nicht nur mit samtenem Bass, sondern großer Präsenz die Bühne dominierte und wie ein Fels in der Brandung wirkte. Mit Michael Kupfer-Radecky ist der Heerrufer des Königs sehr edel besetzt.
Und nun: Das Vorspiel steigt verspielt aus dem mystischen Graben auf. Leicht, leise, sanft. Da wagt niemand zu husten (oder kaum jemand). Christian Thielemann kommt wieder an in Bayreuth, wenngleich man auch an diesem Abend diese traumwandlerische Sicherheit vermisst, mit der er sich und sein Umfeld durch einen Abend zu tragen vermag. Die Bayreuth-Ohren sitzen noch nicht ganz perfekt nach zwei Jahren Abwesenheit und einem Bayreuther Festspielsommer mit nur vier Vorstellungen. Das ist zum Warmlaufen für die nächsten großen Taten, wie den Jubiläums-Ring 2026. Freilich wird der Bayreuth-Wagner-Gott zurecht gefeiert, dass das Festspielhaus wackelt. Aber Gott ist halt auch nur ein Mensch.
Wer zum ersten Mal in die blaue Zauberwelt von Neo Rauch und Rosa Loy eintaucht, lässt sich berauschen – vom üppigen Blau, dem Brabanter Heer mit Flügelchen, das wie eingefroren wirkt, und dem kräftigen Orange, das als Energie einer neuen Zeit gelesen werden kann.
Eine Inszenierung, die nachgeschärft wurde
Die Inszenierung stammt aus dem Jahr 2018 und war sicher nicht dafür gedacht, auch 2025 noch auf dem Spielplan zu stehen. Aber es gab Corona – und dem geschuldete Pläne. Regisseur Yuval Sharon konnte in diesem Jahr nicht vor Ort sein, doch sein Team hat spürbar nachgeschärft. Die Welt in Bleu ist visuell reizvoll, aber oft starr. Elsa entdeckt die Energie, die Lohengrin mitbringt und findet sie duchaus faszinierend, doch am Ende sind ihr wieder – im wahrsten Sinne – die Hände gebunden. Statt mit Lohengrin aufzubrechen, geht sie mit ihrem Bruder Gottfried neugierig in eine neue Zeit. Ohne den Retter.
Beczala und van den Heever – ein starkes Paar
Das Sängerensemble ist insgesamt festspielwürdig. Der Applaus ist berechtigt, das Publikum tobt, klatscht, trampelt – und vergibt den Abendpreis wohl an Piotr Beczala. Sein Lohengrin ist kraftvoll, sicher in allen Lagen, stimmlich souverän – ein würdiger Abschluss seines Bayreuth-Engagement, das mit einem überraschenden Debüt 2018 in dieser Produktion begann und im Schlussjahr endet.
Neu ist Elza van den Heever als Elsa – eine Fast-Namensvetterin ihrer Partie, deren Stimme der Partie fast entwachsen scheint. Sie singt vor allem in den zarten Passagen – etwa im Duett mit Ortrud (Miina-Liisa Värelä) – mit angezogener Handbremse, um nicht zu dramatisch zu klingen. An anderer Stelle kommt ihr abewr genau das zupass, sie wird zur starken Elsa. Am beeindruckendsten zu erleben ist das im Brautgemach: Hier liefern sich Elsa und Lohengrin keinen schmachtenden Liebesdialog, sondern einen stimmlichen Machtkampf auf Augenhöhe – stark!
Das war auch die Intention von Regisseur Yuval Sharon, wie er es in Interviews erzählt hat und auch im lesen- und sehenswerten Programmheft beschreibt: „Während die Welt um sie herum immer noch unschuldig, jetzt schmerhaft künstlich blau gtönt ist, hat sich Elsas (in Orange) von ihr ohne Hoffnung auf Heimkehr entfernt. Gottfrieds Auftritt ist insofern ein Geschenk für Elsa – etwas, das ihr vorher fehlte: ein Gefühl des Staunens, dass trotz allem Wunder geschehen können, die ihre Individualisierung vorantreiben, staaat sie (wie die Ankunft Lohengrins) zu bedrohen.“
Während die Welt um sie herum immer noch unschuldig, jetzt schmerhaft künstlich blau getönt ist, hat sich Elsas (in Orange) von ihr ohne Hoffnung auf Heimkehr entfernt. Gottfrieds Auftritt ist insofern ein Geschenk für Elsa – etwas, das ihr vorher fehlte: ein Gefühl des Staunens, dass trotz allem Wunder geschehen können, die ihre Individualisierung vorantreiben, statt sie (wie die Ankunft Lohengrins) zu bedrohen.“
Elsa statt Lohengrin – und eine Ortrud, die verführt
Für Sharon ist diese Oper eher eine über Elsa als über Lohengrin. Es geht um Macht und Eigenständigkeit – nicht um Märchen, selbst in dieser Zauberwelt von Rauch und Loy, deren Bilder immer noch beeindrucken.
Eine Entdeckung ist Miina-Liisa Värelä: Ihre Ortrud kann säuseln und Elsa umgarnen – und am Ende gnadenlos Gift versprühen. Der große Applaus am Ende ist verdient. Olafur Sigurdarson als Telramund bleibt da zweiter Sieger – auch, weil die Partie eher wütend, anklagend, kaum schön singend angelegt ist. Dennoch behauptet er sich nach Kräften.
Der König als Bank – und ein Chor mit Energie
Die „Bank“ des Abends bleibt Mika Kares als König Heinrich – kraftvoll, präsent, verständlich. Nach seinem Hagen im Ring zeigt er auch hier maximale Präsenz. Und die Vorfreude steigt, ihn im Jubiläums-Ring 2026 gleich dreifach zu erleben: als Fasolt, Hunding und Hagen.
Nach der Premiere war nicht die Luft raus – der Chor erkämpft sich seinen Platz. Wackler bleiben, etwa in der Abstimmung mit dem Graben, aber gerade im Brautchor und dritten Akt insgesamt zeigt sich, wie harmonisch es klingen kann (Beitragsbild © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele). Angesichts der Tatsache, dass 80 Prozent des Chors neu sind, ist das eine Leistung. Thomas Eitler-de Lint, neuer Chorleiter, hat sichtbar Freude entfacht – der Funke springt aufs Publikum über.
Was bleibt: Lohengrin 2025 – ein Erlebnis vor allem mit der Energie der zweiten Aufführung.
Neueste Kommentare