Festakt Wieland Wagner, 24. Juli 2017, Bayreuther Festspiele

Traditionsbrüche für Wieland Wagner

Es war ein würdiger Festakt mit dem die Bayreuther Festspiele den 1966 verstorbenen Wieland Wagner ehrten und von diversen Traditionen abrückten:

  • Die Festspielfahne mit dem großen, roten W wehte bereits am 24. Juli am Festspielhaus, also einen Tag früher als sonst;
  • das Festspielorchester war – zum ersten Mal wieder seit 2013 – auf der Bühne zu sehen;
  • auf dem Programm gab es neben Werken von Richard Wagner erstmals auch  Musik von Alban Berg und Guiseppe Verdi;
  • und: Der Eintritt zum Festspielhaus war frei. Es gab geladene Gäste, daneben hatten die Bayreuther Festspiele im Juni aber auch Freikarten verlost, weshalb viele ganz normale Wagnerianer in den Genuss eines schönen Abends kamen.

Es ist übrigens gar nicht so einfach, das Programm zu ändern, erzählte Festspielleiterin Katharina Wagner bereits bei der Pressekonferenz am Dienstagnachmittag (24. Juli). Wenn nicht Werke aus dem Kanon von Richard Wagner gespielt werden, muss das beim Stiftungsrat – Eigentümer des Festspielhauses – beantragt und genehmigt werden. Das ist geglückt, ebenso wie, auch das betonte Katharina Wagner, der Festakt in enger Abstimmung zwischen den Bayreuther Festspielen und den Kindern Wielands Wagner zustande kam – und das ganz ohne Skandal.

Respekt für Wieland Wagner

Am Dienstagabend kam sie als erste Rednerin des Festakts auf die Bühne und zollte ihrem Onkel, der bereits seit zwölf Jahren tot war, als sie auf die Welt kam, ihren großen Respekt und zitierte Wieland Wagner als Erneuerer der Bayreuther Festspiele: „Bayreuth muss Werkstatt bleiben, wo immer neue Lösungen gesucht werden.“ Ein Bekenntnis, das gerade am Vorabend einer neuen Festspielzeit unverändert Gültigkeit beanspruchen dürfe.

Einen sehr persönlichen Blick auf Leben und Wirken Wieland Wagners warf Hauptredner Sir Peter Jonas, ehemaliger Intendant der Bayerischen Staatsoper München. Er erzählte von seinen eigenen Erlebnissen in Bayreuth, wohin er sich 1963 erstmals trampend von London aus aufgemacht hatte, sprach von der großen Bewunderung für die abstrakte Regiearbeit von Wieland Wagner. Er schönte indes auch nicht dessen Rolle im dritten Reich, in dem Wieland Wagner, vom Kriegsdienst befreit, eine leitende Position in einer Außenstelle des KZ Flossenbürg einnahm. In dieser Funktion nichts davon mitzubekommen, welche Gräuel die Nazis anrichteten, stellte der Festredner in Frage. Er fand aber auch in einem Zitat von Nike Wagner eine Erklärung dafür, warum Wieland Wagner  niemals über diese Zeit sprach – aus Scham. (Den Link zur Rede von Sir Peter Jonas als Pdf-Datei finden Sie am Ende des Artikels.)

Als Sohn stemmte sich Wolf-Siegfried Wagner in seinen „Worten an meinen Vater“, wie es im Programm stand, gegen einen Teil der Vergangenheit: „Ihr wollt aus meinem Vater einen Nazi machen? Er, der den Karren hier aus dem Dreck gezogen hat!“, fragte er. Dass das eine das andere nicht ausschließt, das eine aber auch nicht ausgeklammert werden kann, hatte gerade sein Vorredner Jonas ausführlich dargestellt.

Werke von Berg, Verdi und Wagner

Die musikalische Seite des Abends war nicht allein wegen des Programms außergewöhnlich. Wenn nicht Wagner gespielt wird im Festspielhaus, dann Beethoven. Diesmal: Drei Bruchstücke aus der Oper „Wozzeck“ von Alban Berg. Claudia Mahnke sang eine glockenklare Marie, wenngleich die Musik viele Wagnerianer doch eher verstörte. Versöhnlicher dann Verdi und der Ausschnitt aus dem vierten Akt Otello mit Camilla Nylund (Desdemona), Christa Mayer (Emilia) und Stephen Gould (Otello).

Rienzi, das Auftaktstück, gehört ebenfalls nicht zum Kanon der Richard-Wagner-Opern fürs Festspielhaus Bayreuth. Unter Hartmut Haenchen gab’s nun die Ouvertüre. Und ebenso wenig wird man Parsifal-Vorspiel und -Verwandlungsmusik so schnell wieder so hören: Das Orchester auf der Bühne anstatt unter dem eigens dafür gebauten Orchestergraben mit Deckel. Und noch dazu in dieser Fassung: Hartmut Haenchen, der die Uraufführungspartitur mit den weiteren Fassungen intensiv verglichen hat, fand heraus, dass Engelbert Humperdinck, Assistent von Richard Wagner bei der Uraufführung, 1882 die Verwandlungsmusik auf Weisung des Komponisten verlängerte, weil die ursprüngliche Fassung „zu kurz für den technischen Ablauf der Wandeldekoration war“, wie im Programmheft beschrieben ist. Diese lange Fassung, die sich ab 1883 mit der Maschinerie der Wandeldekoration erübrigte, war nun würdiger Bestandteil und Abschluss des Festakts. Und sie machte auch klar: Berg oder Verdi sind nette Gäste im Festspielhaus Bayreuth – doch daheim ist hier einzig Richard Wagner.

Daheim ist hier einzig Richard Wagner

Am Ende erhielten die Solisten, Dirigent Hartmut Haenchen, der sich wohl nach seiner zweiten Saison in Bayreuth verabschiedet, und vor allem das Festspielorchester langen, lautstarken und höchst verdienten Applaus.

Nach dem zweieinhalbstündigen Festakt gab es – dem tristen Bayreuther Wetter zum Trotz – noch eine nette Geste der Festspielleitung. Sie lud alle Besucher zur Feier des Tages zum Sektempfang am Steigenberger-Restaurant.

© Foto: Bayreuther Festspiele/Facebook/WagnerFestival

festspieleblog.de hat die Rede von Sir Peter Jonas zum Nachlesen organisiert. Hier ist der Link zur Datei. 

Über seine Forschung des Notenmaterials haben wir mit Hartmut Haenchen gesprochen. Das Interview mit dem Dirigenten lesen Sie hier. Über rund 700 Änderungen in der Partitur von Parsifal erzählt Hartmut Haenchen auch in “Hojotoho – das Bayreuther Festspielmagazin” von TAFF. Mehr darüber auf der TAFF-Homepage.

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Burkahrd Kling
    25. Juli 2017 11:37

    Die Wozzeck-Fragmente im Festspielhaus zu hören, das war etwas ganz besonderes! Die eigene Akustik des Hauses hat die klare und doch so impulsive Musik in iohrem Ausdruck ins Unendliche gesteigert. Dann noch die absolut ausdrucksstarke Claudia Mahnke als Solistin! Besser geht es nicht!Allein das hat es gelkohnt, den Festakt zu besuchen!

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